Erich Edegger: Der Visionär der Grazer ÖVP

Politiker vermitteln dann und wann den Eindruck abgehoben zu agieren und im Elfenbeinturm gefangen zu sein. Einer für den das sicher nicht zutraf war Erich Edegger. Viele Grazer haben noch das Bild vom radelnden Stadtrat und Vizebürgermeister vor Augen, wenn sie sich an Erich Edegger erinnern. Dabei war Edegger in seiner Amtszeit vielen Anfeindungen ausgesetzt. Im Nachhinein freilich gilt er als großer Visionär der Grazer ÖVP.

Seine politische Sozialisierung erfährt der 1940 geborene Erich Edegger im Elternhaus. Sein Vater, der sein großes Vorbild war, begeistert ihn früh für die Politik. Erich Edegger studiert zunächst Jus und BWL, muss aber schließlich den elterlichen Betrieb übernehmen. In der Politik will er neue Pfade beschreiten, und das gelingt ihm auch. Seine ersten politischen Sporen verdient er sich als Stadtvorsitzender der Jungen Wirtschaft.  Er zieht infolge in den Gemeinderat ein, und ist dann ab 1974 Stadtrat. 1983 wird er 2. Vizebürgermeister, zwei Jahre später dann 1. Vizebürgermeister der Landeshauptstadt Graz. Mit dem 1992 im 53. Lebensjahr unerwartet verstorbenen Erich Edegger verbindet man heute in erster Linie seine Verkehrspolitik. Der Ausbau des Fahrradwege-Netzes und Tempo 30 sind zwei Projekte die bis heute mit seinem Namen untrennbar verbunden sind. Wie erfolgreich seine Politik war zeigt sich auch daran, dass gleich zwei Verkehrsflächen nach ihm benannt sind. Zum einen der Mursteg zum Mariahilferplatz und zum anderen der Rad- und Fußweg der neben der Straßenbahn von Mariagrün nach Mariatrost führt.

Neben seinen visionären Ideen galt Erich Edegger aber auch als ausgesprochener Familienmensch. Sein inniges Verhältnis zu seiner Gattin Walfriede war weithin bekannt. Selten erlebt man ein Paar so im Gleichschritt wie die Edeggers, schon gar nicht wenn der Mann Politiker war. Kennen gelernt hat sich das Paar 1956/57 in der Handelsakademie. „Wir waren vier Monate miteinander per Sie“, erzählt seine Gattin. „Das kann man sich heute nur schwer vorstellen.“ Erich Edegger war damals sicher noch kein Revoluzzer. „Im Gegenteil, er machte auf mich eher einen braven Eindruck“, erinnert sich Walfriede Edegger. Später sollte er nichtsdestotrotz neue Pfade beschreiten. Wie bekommt man Familie, Politik und Geschäft so harmonisch unter einen Hut? Walfriede Edegger kennt die Antwort: „Die Familie muss hundertprozentig dafür sein, wenn der Mann in die Politik gehen will. Und das war bei uns der Fall.  Mein Mann hat mich sehr früh gefragt – er war damals etwas älter als 20 Jahre – was ich davon halten würde, wenn er in die Politik ginge. Ich habe gemerkt, es bedeutet ihm viel sich für andere einzusetzen. Und natürlich hatte er auch das Zeug dazu Politiker zu werden. So war ich natürlich dafür, obwohl ich damals schon wusste was da auf die Familie zukam.“ Die Familie war für Edegger der sichere Hafen in dem er sich geborgen fühlte, seine Gattin gab ihm jenes Feedback das einem Mann in seiner Position oft verwehrt bleibt. „Sag mir alles, du bist für mich das Volk“ forderte er seine Gattin zur Kritik auf. Die Familie hatte jedenfalls Zeit seines Lebens Vorrang vor der Politik. So durften ihn die Kinder wann immer sie wollten anrufen. „Wenn er einmal keine Zeit hatte, so hat er sofort zurückgerufen. Auch wenn ein Kind einmal den Wunsch hatte zu ihm ins Büro zu kommen, hat er immer Zeit gehabt. Für uns war aber nicht so sehr entscheidend wie lange man Zeit miteinander verbringt, sondern wie man sie nutzt“, erinnert sich seine Gattin. Das tägliche Frühstück mit ihr gehörte zum festen Tages-Ritual. „Das ging so bis einschließlich Samstag, der auch verplant war, aber an den Sonntagen da war er nur für uns da.“ Und wenn es einmal nicht sehr fein zu ging? „Er hat alles Negative stets von der Familie ferngehalten“, erinnert sich Gattin Walfriede.

Erich Edeger war zweifelsohne ein großer Kommunalpolitiker. Warum es ihn nie in die Landespolitik zog beantwortet seine Gattin so: „Er war ein Stadtmensch durch und durch. Das ging so weit, dass er sich überlegte in der Pension in der Hofgasse zu wohnen. Wir haben auch einige Wochenendurlaube in Grazer Hotels verbracht. Er wollte nur ungern weg aus Graz“.

Erich Edegger geht in seiner Funktion als Kommunalpolitiker voll auf. Er fährt Radwege persönlich ab, schaut sich an Samstagen Baustellen an, und nimmt sich Mietern an, die mit ihren Hausbesitzern im Clinch liegen. „Er hat sehr intensiv gelebt und gearbeitet“, erzählt seine Gattin. Edegger war in seiner Arbeitsauffassung aber auch durchaus streitbar und lässt sich gerne auf Diskussionen ein. „Dafür hat er nicht so gerne Reden gehalten“, erzählt Gattin Walfriede. Dass sich seine Ideen, etwa Tempo 30 in Graz durchgesetzt haben „das hätte ihn sicher sehr gefreut.“

Wer waren die Personen, die für ihn maßgeblich waren? „Erhard Busek hat er sehr bewundert. Er hat sich mit Ruth Feldgrill-Zankel sehr gut verstanden und ist Bürgermeister Stingl mit viel Respekt begegnet, wie übrigens auch umgekehrt. Beide hatten ihr ideologisches Fundament, schätzten sich über Parteigrenzen hinweg,“ lässt Walfriede Edegger einen Blick hinter die Kulissen zu.

In seinem Denken überwindet Erich Edegger gerne Grenzen. „Das Bestehende war ihm zu wenig, er dachte immer ein, zwei Schritte voraus. „Du musst in alle Richtungen denken“, das war sein Credo“. Natürlich gab es auch im politischen Leben Erich Edeggers Schattenseiten. Etwa wenn böse Gerüchte die Runde machten, die jeder Wahrheit entbehrten. Etwa, dass seine Passion fürs Radfahren nur gespielt war und er bei der Burg ins Auto umstieg. „Das hat ihn sehr gekränkt. Aber so war das halt damals. Für die einen war der Erich ein Held, für die anderen ein Feindbild.“

Auszug aus der Chronik der Grazer Volkspartei – Text: Markus Simmerstatter