Grazer Leitfaden: Kulturgenuss für alle

Ein neues Handbuch zeigt auf, wie Barrieren im Kulturbereich für Menschen mit Behinderungen
abgebaut werden können. Recherchiert dafür haben Betroffene.

Rund 50.000 GrazerInnen leben mit einer Beeinträchtigung. Wie kann es gelingen, dass sich
alle in den Grazer Kultureinrichtungen willkommen fühlen? Und dass es selbstverständlich
wird, Barrierefreiheit in all seinen Varianten schon bei der Planung von Veranstaltungen
mitzudenken? Das war das Thema des Projekts „Kultur inklusiv“ des Kulturjahres der Stadt
Graz. Herausgekommen ist unter anderem ein Grazer Leitfaden, an dem Menschen mit
Behinderungen zentral mitgewirkt haben.

Einer von ihnen ist Inklusionsbotschafter Matthias Grasser, der mit einer Fokusgruppe ein
Jahr lang 21 Kulturinstitutionen besucht hat. Das Ergebnis: 13 haben im Bereich bauliche
Barrierefreiheit gut abgeschnitten, eine Einbindung der Betroffenen bei der Planung findet
aber nur selten statt. In der digitalen Kommunikation, bei Leichter Sprache,
Gebärdendolmetsch und Audiodeskriptionen gibt es noch einigen Verbesserungsbedarf. In
erster Linie gehe es darum, dass sich Menschen mit Beeinträchtigungen nicht störend
vorkommen, sondern ein echtes Willkommen ausgesprochen werde. Matthias Grasser hofft
auf die Vorbildwirkung, die sich durch den „Grazer Leitfaden für inklusive Kultur“ entfaltet:
„Ich glaube, dass Graz ein sehr gutes Begegnungsfeld bietet und dass durch kulturelle
Aktivitäten viel in anderen Bereichen passiert.“

Neben Erfahrungsberichten zur Inklusion von Grazer Kulturschaffenden finden sich im
Leitfaden Tipps und Hilfestellungen zur Ermöglichung von kultureller Teilhabe, mit einem
besonderen Fokus auf digitale Barrierefreiheit.
Der „Grazer Leitfaden für inklusive Kultur“ fasst die Ergebnisse aus dem Kulturjahrprojekt KULTUR
INKLUSIV zusammen. Das ist ein Netzwerk von Kultur- und Sozialeinrichtungen, wo in
gemeinsamen Projekten ausgelotet wird, wie man Kunst- und Kulturprogramme für alle zugänglich machen kann.
Im Zentrum dieses Vorhabens stand die Fokusgruppe aus Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungen, die sich das
Kulturprogramm in Graz unter dem Aspekt der Inklusion angesehen haben. Ihre Ergebnisse sind im Leitfaden zusammengefasst. Er liegt zur
kostenfreien Entnahme in den Grazer Kulturinstitutionen auf oder kann bei der Akademie Graz unter 0316 8379850 bestellt werden.

KULTUR INKLUSIV ist ein Projekt im Kulturjahr Graz 2020 von Akademie Graz, InTaKTFestival
und Kunstuniversität Graz, in Zusammenarbeit mit Verein Selbstbestimmt Leben,
Behindertenbeauftragter der Stadt Graz, Lebenshilfe Graz und Umgebung – Voitsberg und
Lebenshilfe Steiermark, Verein IKS, Sozialwirtschaft Steiermark, assembly, Hunger auf
Kunst und Kultur, Graz Museum, Kunsthaus Graz.
STATEMENTS
Kulturstadtrat Günter Riegler: In vielen Kulturbetrieben gilt es Barrieren – teils sichtbar,
teils unsichtbar – zu überwinden. Das Projekt KULTUR INKLUSIV und der daraus
entstandene „Grazer Leitfaden für inklusive Kultur“ zeigt vorhandene Grenzen auf und hilft
Personen mit Einschränkungen diese zu überwinden und Kultur für alle erlebbar und
begreifbar zu machen. Es freut mich, dass dieses Vorzeigeprojekt Teil unseres Kulturjahres
ist und gratuliere den Verantwortlichen zum engagierten und wegweisenden Vorhaben.

Astrid Kury: Die vielen ungewollten Barrieren zum Kulturprogramm sichtbar zu machen und
zu beheben, ist gegenwärtig eine der wichtigsten Aufgaben im Kulturbereich. Schließlich ist
die kulturelle Teilhabe ein Menschenrecht, das eigens nochmals in der UNBehindertenrechtskonvention
festgeschrieben wurde. Die Vision eines inklusiven
Zusammenlebens ist nicht von heute auf morgen herzustellen, aber wir sollten uns auf den
Weg machen, gemeinsam mit allen Kulturinteressierten mit und ohne Behinderung. Es ist ein
bereichernder Weg: eine Chance eines Neubeginns nach der Pandemie, eine Aufforderung
miteinander lang geübte Usancen im Kulturbetrieb zu hinterfragen, und eine Gelegenheit
neue Konzepte für Kunstprojekte und Ausstellungen zu entwickeln, die für alle ein Mehr an
Erlebnis, Verständlichkeit und Zugänglichkeit ermöglichen!
Graz hat hier bereits viel zu bieten, das zeigt der Grazer Leitfaden für inklusive Kultur. Eine
verstärkte Zusammenarbeit von Kultur- und Sozialbereich für in jeder Hinsicht offene
Zugänge ist unser Ziel!

Lina Hölscher: Das inklusive Festival InTaKT arbeitet bereits seit 2015 an einer Sichtbarkeit
und Selbstverständlichkeit von Künstler_innen mit Beeinträchtigung in Graz.
Zuseher_innen mit Beeinträchtigung fühlen sich natürlich davon angesprochen, wenn sie von
Selbstvertreter_innen in der Kunst und Kultur repräsentiert werden. Neben der
Zugänglichkeit von Institutionen, Sprache, Texten, Musik und online Auftritten, ist ein
wichtiges Element, dass die Einladung von Menschen mit Beeinträchtigung eine
Selbstverständlichkeit wird. Barrieren in der Kommunikation und im Miteinander abzubauen,
ist eine wichtige Aufgabe aller Mitglieder unserer Gesellschaft, um gleichberechtigte Teilhabe
für alle zu ermöglichen und als Gemeinschaft aus der Vielfalt zu profitieren.
Wir sind sehr froh über den Verlauf des Projektes und das Ergebnis, den vielschichtigen
Leitfaden. Die von uns geleitete Fokusgruppe, die sich im Rahmen von „Kultur inklusiv“
gegründet hat, bestehend aus Interessensvertreter_innen, wird hoffentlich auch weiter
Grazer Kulturinstitutionen besuchen und Feedback geben, um Inklusion und Barrierefreiheit
voranzutreiben.

Sibylle Dienesch: Kulturelle Teilhabe für Alle zu ermöglichen, ist eines der Leitziele des
Graz Museums. Der Prozess hin zu einem inklusiven Museum hat mit der Ausstellung
„Mittendrin“ begonnen und setzt sich nun im Graz Museum Schlossberg fort. In
Zusammenarbeit mit den Vertreter_innen des Vereins Selbstbestimmtes Leben und dem
Referat Barrierefreies Bauen wurde ein Ort geschaffen, der räumlich und inhaltlich
besonders zugänglich ist. Daraus entsteht ein Mehrwert für alle.
Mit dem Leitfaden für inklusive Kultur wurde ein weiterer wichtiger Meilenstein erreicht. Nun
geht es darum das Erarbeitete weiterzutragen und mit einem größeren Kreis an
Kulturschaffenden und Menschen mit Behinderungen weiterzuentwickeln. Das Graz Museum
wird daher die Verantwortung für das Projekt im Herbst übernehmen und im kommenden
Jahr fortführen. So wollen wir alle gemeinsam inklusives Denken und Handeln nachhaltig in
der Kulturarbeit verankern.

Ursula Vennemann: Wir freuen uns über die Erstellung des Leitfadens zum barrierefreien
Kulturgenuss aus zwei Gründen:
Um allen Menschen Kulturerlebnisse zu ermöglichen braucht es die Zusammenarbeit mit
Kultureinrichtungen und – initiativen; dieser Leitfaden trägt zum Verständnis bei und
unterstützt bei der Schaffung eines barrierefreien Umfeldes, das den unterschiedlichen
Bedürfnissen dient.
Die Lebenshilfe unterstützt Menschen dabei das Kulturangebot zu nutzen, indem sie
informiert und zur Teilnahme am kulturellen Leben animiert. Wenn dabei persönliche
Unterstützung nötig ist, wird diese durch die Lebenshilfe gewährleistet.
Der Leitfaden zum Durchblättern:

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