Rede zur Bürgermeisterwahl

Die Rede des designierten Parteiobmannes Kurt Hohensinner zur Besetzung des Bürgermeisteramtes der Stadt Graz:

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann,

werter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Ehrengäste und Zuseherinnen und Zuseher via Livestream!

Vor allem liebe frisch gewählte Gemeinderäte und Gemeinderätinnen, Ihnen allen möchte ich zur neuen Funktion gratulieren. Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen, es ist eine wunderschöne aber zugleich sehr herausfordernde Aufgabe. Dafür ALLES GUTE!

Der 26. September 2021 war ein einschneidender Tag. Für uns als Grazer Volkspartei, aber auch für die gesamte Stadt Graz. Nach 18 Jahren, in denen die ÖVP mit Siegfried Nagl Gesamtverantwortung für diese Stadt tragen durfte, wurde das Heft des Handelns jemand anderem auferlegt: Elke Kahr und der Kommunistischen Partei. Ich möchte aber heute nochmals die Gelegenheit nützen, um mich bei unserem langjährigen Bürgermeister Siegfried Nagl für seinen unglaublichen, seinen leidenschaftlichen Einsatz und seine so erfolgreiche Arbeit in all diesen Jahren von ganzem Herzen zu bedanken.

Bei aller Überraschung und auch Enttäuschung am Wahlabend, blicken wir heute ohne Groll auf diesen Tag zurück. Die Wählerinnen und Wähler, die von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht haben, haben entschieden und das respektieren wir natürlich ohne Wenn und Aber! Heute ist unser Blick ausschließlich nach vorne gerichtet, denn es geht nicht um die Befindlichkeiten einer einzelnen Partei oder einzelner Personen, es geht einzig und allein um die Zukunft unserer Stadt Graz, in der wir mit unseren Kindern und Enkelkindern, mit unseren Familien und Freunden leben.

KPÖ, Grüne und die SPÖ haben sich entschlossen den Weg der Mitte und des Miteinander zu verlassen, und eine Koalition weit links der Mitte einzuschlagen. Ob sich die Grazerinnen und Grazer tatsächlich eine solche extrem linke Politik wünschen, werden die nächsten Monate und Jahre zeigen.

Eines möchte ich dazu vorneweg sagen und betonen: Wir sind nach wie vor die zweitstärkste Partei in dieser Stadt. Wir haben das Wahlergebnis für uns analysiert, wir haben daraus gelernt und haben uns neu aufgestellt. Und sowohl jenen Tausenden, die uns gewählt haben, aber auch jenen, die wir bei der letzten Wahl auf unserem Weg verloren haben, kann ich hier und heute versprechen: Wir werden auch weiterhin für euch da sein, wir hören zu, wir übernehmen Verantwortung und wir werden dort, wo es notwendig ist, ein starkes Gegengewicht zu dieser Linkskoalition sein. Vor allem aber werden wir in jenen Ressorts, die uns nun übertragen werden, gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern für Graz arbeiten und den erfolgreichen Weg in Bildung, Familie, Wirtschaft, Kultur, Sport und darüber hinaus weitergehen. Als Volkspartei ist es immer unser Anspruch diese Stadt positiv mitzugestalten.

Aber jetzt zur Wahl der Bürgermeisterin.

Liebe Elke, ich schätze dich als Mensch, für dein Einfühlungsvermögen und auch für dein soziales Engagement. Gleichzeitig muss ich dir aber leider sagen: Nach all dem, was ich in den vergangenen Jahren, vor allem aber in den vergangenen Tagen und Wochen nach dem Wahltag von der Kommunistischen Partei gesehen habe: Das reicht nicht für die Übernahme der Gesamtverantwortung in unserer schönen Stadt und aus der Sicht vieler Grazerinnen und Grazer reicht es auch nicht für das Amt einer Bürgermeisterin. Und ich möchte dir auch sagen, warum das so ist:

Ihr meint immer ihr wollt jenen eine Stimme geben, die man sonst nicht hört. Das ist ein hehres Ziel, eines dem ich mich übrigens in den vergangenen Jahren als Sozialstadtrat auch verschrieben habe. Daran ist nichts verkehrt. Aber reicht es als alleiniger Grundsatz, um seine gesamte Politik darauf aufzubauen?

Als Bürgermeisterin geht es darum zu verbinden. Es geht um das Miteinander. Ihr sagt immer, ihr wollt ein Graz für alle. Wie sieht es aber abseits von politischen Slogans in der Realität aus?

  • Wenn du am Nationalfeiertag in deiner Rede im Volkshaus zur Revolution gegen das System aufrufst, dann fragen sich viele: Ist das einer Bürgermeisterin von Graz würdig?
  • Wenn du auf Facebook schriebst, dass das „kapitalistische System mit all seinen Widersprüchen und Nachteilen für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung“ noch immer da ist, dann schütteln viele den Kopf und fühlen sich in eine andere Zeit versetzt!

Die Corona-Pandemie hat uns alle vor große Herausforderungen gestellt, hat leider auch Gräben in der Gesellschaft aufgerissen. Nicht nur in der Impffrage, sondern ganz generell und weit darüber hinaus.

Gerade jetzt bräuchte es mehr Zusammenhalt und Miteinander. Ein Zugehen auf einander, ein Überwinden von Gegensätzen, und nicht eine weitere Spaltung, wie ihr sie hier durch derartige Aussagen geradezu herausfordert.

Es reicht im Übrigen auch nicht in der großen Frage der Pflege einfach protestierend, aufhetzend vor das Landhaus zu ziehen, obwohl man in Graz seit Jahren für exakt diesen Bereich zuständig ist, und selbst keine nennenswerte Verbesserung zustande gebracht hat.

Ähnlich verhält es sich mit dem von euch am Samstag präsentierten Koalitionspakt. Graz braucht wesentlich mehr, als ihr in dieser neuen Vereinbarung niedergeschrieben habt. Vieles ist nach wie vor unkonkret oder gar ein Fortschreiben von Maßnahmen, die bereits in der Vorgängerregierung vorbereitet oder beschlossen wurden. Was hinter zahlreichen Überschriften im Detail steht, wird wohl erst die Zeit zeigen.

Was aber jetzt schon klar ist, ist dass ihr wesentliche Felder, die das Führen der zweitgrößten Stadt Österreichs erfordert, schlichtweg vergessen habt.

  • Keine nennenswerten Punkte zu Universitäten oder Wissenschaft,
  • zu Europa,
  • zum Industriestandort,
  • zu Internationalisierung oder unseren Cluster-Organisationen.

Dass in der gesamten Präsentations-Pressekonferenz kein einziges Mal das Wort Wirtschaft verwendet wurde, ist bezeichnend.

Es zeigt aber auch sehr klar, welchen Stellenwert ihr den Unternehmerinnen und Unternehmern in dieser Stadt zubilligt.

Ganz besonders, wenn dein Stadtratskollege als Kommentar zu den Metaller-KV-Verhandlungen ein Bild postet, das einen Unternehmer auf einem Geldberg stehend zeigt, der seinen Mitarbeiter anschreit. Auch hier spielt ihr Gruppen gegeneinander aus, und viele fragen sich: Ist das ist einer Bürgermeisterpartei würdig?  Wer Unternehmen als profitgierige Feindbilder darstellt, der hat seine Rolle in der Gesamtverantwortung für die Stadt nicht verstanden.

Dabei sind gerade die Wirtschaftstreibenden, egal ob kleiner Einzelhandel, Dienstleister oder großes Industrieunternehmen, Garanten für den Wohlstand und die Lebensqualität, die wir in dieser Stadt erleben dürfen. Und bitte auch nicht zu vergessen: Sie sind über die Kommunalsteuer, die wir als Stadt vereinnahmen können, wesentlich verantwortlich dafür, dass wir hier im Rathaus überhaupt Geldmittel haben, über die wir verfügen können. Vor allem aber sind sie gerade jetzt in der Pandemie keine Feindbilder, sondern schützen und stärken unser soziales System, weil sie Jobs schaffen, und dafür sorgen, dass wir bei den Arbeitslosenzahlen wieder auf dem Niveau vor Corona liegen.

Unser gesamtes gesellschaftliches System – und so auch unsere Stadt – baut auf Leistung auf. Nur so schaffen wir Entwicklung, Fortschritt, Innovation. Das heißt als Politik müssen wir diese Leistung honorieren und nicht abwerten. Kommunistische Gleichmacherei ist Gift für all jene, die sich etwas aufbauen wollen. Unser christlich-soziales Menschenbild ist nicht eines, in dem Menschen von Almosen abhängig sind, bei Politikern betteln und in dieser Lebenssituation dauerhaft verharren müssen.

  • Wir wollen eine Politik der Selbsthilfe,
  • eine Politik des sozialen Aufstiegs.
  • Wir wollen, dass Bildung und Arbeit Menschen weiterbringt. Jeder soll seine Stärken bestmöglich entfalten können und wir helfen ihnen dabei.
  • Wir trauen den Menschen etwas zu und ermutigen sie.

Den Klassenkampf befeuern, das Ausspielen von Arm gegen Reich ist jedenfalls ganz sicher nicht unser politischer Ansatz!

Eines sei an dieser Stelle auch gesagt: Es mutet doch ein wenig seltsam an, über soziale Medien zu verbreiten, dass euch diverse, dubiose Kräfte im Rathaus behindern und, ich zitiere „sehr, sehr viele Kräfte an den Schalthebeln der Macht alles daran setzen werden“, euch scheitern zu sehen! Bevor man also mit der Arbeit beginnt, liefert man anscheinend schon prophylaktisch Gründe und Entschuldigungen für die politische Mutlosigkeit, die man eurem Koalitionspapier unübersehbar entnehmen kann.

Bitte hört auf mit dem Jammern, nicht eingebunden gewesen zu sein. Politik heißt auch proaktiv sein. Information ist immer auch eine Holschuld. Und vor allem stellt euch eurer neuen Verantwortung. Sucht nicht die Schuld bei anderen, ihr habt es in der Hand – nehmt eure Gesamtverantwortung wahr.

Und in diesem Zusammenhang: Wir haben hervorragende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Haus Graz, mit starken und fachlich versierten Abteilungsleitungen und Vorständen und Geschäftsführungen,

  • die jeden Tag ausschließlich zum Wohl der Grazerinnen und Grazer arbeiten,
  • die es in keiner Weise verdient haben, sich von euch parteipolitisch punzieren zu lassen.

Ich möchte mich daher ausdrücklich bei allen Kolleginnen und Kollegen im Haus und in den Beteiligungen sehr herzlich für ihren tagtäglich großartigen Einsatz bedanken.

Abschließend erlaube ich mir folgende Anmerkung:

Es reicht ganz sicher nicht, freundlich über kommunistische Menschenrechtsverletzungen in der Vergangenheit oder in der Gegenwart hinwegzulächeln. Wir haben dies in unseren 30 Fragen thematisiert, in der ehrlichen Hoffnung hier eine klare Distanzierung von eurer Seite zu hören. Diese ist nur leider immer ausgeblieben. Stattdessen habt ihr uns im Gespräch erklärt,

  • das Tito-Regime wäre nicht nur die beste Staatsform im Ostblock gewesen, sondern auch besser, als so manche westliche Demokratie.
  • dass China nur Menschenrechtsverletzungen begehe wie viele andere Länder auch,
  • und kein klares Bekenntnis zu Europa und zur EU abgegeben.

Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass solche Haltungen einer Menschenrechtsstadt nicht würdig sind und wir wissen sehr, sehr viele Grazerinnen und Grazer in diesen Fragen an unserer Seite.

Und hier nehme ich nun auch die Grünen und die SPÖ in die Verantwortung. Ihr werdet mit euren Stimmen heute dafür sorgen, dass eine Partei mit einer solchen Ideologie und fehlender Distanz zu vielen Gräueltaten im Namen des Kommunismus ins Bürgermeisteramt der zweitgrößten Stadt Österreichs gewählt wird.

All jenen Damen und Herren, die mich in den letzten Wochen auf verschiedenste Art und Weise mit der Bitte kontaktiert haben, alles dafür zu tun, dass keine Kommunistin, keine Tito-Verehrerin Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Graz wird, kann ich auch heute nur antworten: Das Wahlergebnis ist zu akzeptieren. Drei Parteien haben aufgrund dieses Ergebnisses entschieden eine Koalition weit links der Mitte zu schmieden.

Wenn also Elke Kahr heute mit den Stimmen der Linkskoalition zur Bürgermeisterin der Stadt Graz gewählt wird, so ist das eine demokratische Entscheidung des Gemeinderates. Aus den exemplarisch genannten Gründen ist aber auch wohl klar, dass wir dazu keinen aktiven Beitrag leisten werden.

Nichtsdestotrotz wünsche ich Elke Kahr im Sinne unserer Stadt eine gute Hand für die zukünftige Arbeit als Bürgermeisterin.